Neben klaren Handlungsempfehlungen wird in diesem Kapitel auch versucht, ein Grundverständnis für den Corporate Purpose zu schaffen und ihn von anderen Konzepten wie Mission und Vision abzugrenzen.


“Der Corporate Purpose ist die Daseinsberechtigung einer Organisation im Sinne eines Ziels, das über die Gewinnmaximierung hinausgeht, um Werte zu schaffen, indem es zum Wohl der Gesellschaft und des Planeten beiträgt.” (Brosch, 2023) Diese Definition umfasst drei Bestandteile (Brosch, 2023):

  •    1. Normative Fragen nach dem "Warum" rechtfertigen und legitimieren die Daseinsberechtigung:
    •       a. Warum existiert unsere Organisation?
    •       b. Warum muss sie existieren?
    •       c. Warum ist ihre Existenz wichtig für die Welt?
  •    2. Ein höheres Ziel, dass über die reine Gewinnerzielung hinausgeht, verdeutlicht, dass der Corporate Purpose ein Ziel in sich ist und kein Mittel, um andere Ziele zu erreichen.
  •    3. Ein positiver Beitrag für die Gesellschaft und die Umwelt kennzeichnen den Corporate Purpose. Dabei sollen die Herausforderungen von Gesellschaft und Umwelt durch die reguläre Geschäftstätigkeit adressiert werden.

Das Purpose Statement sollte diese Punkte abdecken und die Formulierung kurz und präzise ausfallen.

1. Verstehen der Purpose Ausrichtung und Transformation

Der Corporate Purpose schafft langfristig Mehrwert und hilft Unternehmen aktuellen Herausforderungen zu begegnen. Dabei darf nicht der Eindruck entstehen, dass ein Purpose in erster Linie ein Mittel ist, um diese Ziele zu erreichen (Brosch, 2023). Vielmehr handelt es sich um eine tiefgreifende, ganzheitliche und langfristige Transformation. Folglich sollte der Purpose im Kern des Unternehmens verankert und direkt mit der Geschäftstätigkeit verbunden sein (Brosch, 2023).


Darüber hinaus ändert sich die Rolle des Gewinns von einem Zweck zu einem Mittel (Brosch, 2023). Diese neue Ausrichtung kann als "to solve the problems of people and planet profitably," (Barratt et al., 2019, p. 8) oder "doing well by doing good" (Jimenez et al., 2021, p. 11) beschrieben werden.

2. Überzeugen des Managements

Idealerweise initiiert das Management oder die oberste Führungsebene den Zweck selbst. Die Unterstützung und Rückendeckung durch das gesamte Management ist einer der kritischen Erfolgsfaktoren. Aufgrund des langfristigen Charakters und der bedeutenden Veränderungen sollte auf der obersten Führungsebene ein gemeinsamer Konsens bestehen.


Je nach Eigentümerstruktur können Eigentümer auch in dieser Anfangsphase involviert sein. Dies ist sinnvoll, wenn es wenige und langfristigorientierte Eigentümer gibt. Da kleine und mittlere Unternehmen häufig inhabergeführt sind, ist dieser Schritt einfacher.

3. Formulieren des Purpose Statements

Im Mittelpunkt steht die Definition eines unternehmensspezifischen Corporate Purpose. Um für externe und interne Stakeholder leichter verständlich und einprägsam zu sein, sollte die Formulierung möglichst einfach sein (Brosch, 2023).
Das Purpose Statement sollte in der Regel präzise und kurz sein.


Darüber hinaus identifizieren Hurth et al. (2018) drei Ziele, die ein Purpose erfüllen sollte.
Erstens sollte er auf einzigartigen internen Fähigkeiten und bestehenden Marktvorteilen beruhen
Zweitens muss er auf profitable Weise verfolgt werden
Drittens muss der Purpose die Bedürfnisse der internen und externen Stakeholder erfüllen


Darüber hinaus sollte bei der Formulierung des Unternehmenszwecks die langfristige Ausrichtung des Konzepts im Auge behalten werden. Der Purpose sollte daher unabhängig von aktuellen Produkten oder Trends formuliert werden.
Versuchen Sie eine Antwort auf die Frage: "Was ist eigentlich die Daseinsberechtigung, die auch noch in 10, 20, 30 Jahren (...) unabhängig vom Produkt gültig ist?" (Interviewpartner ID 8) zu finden.
Nutzen Sie eine zeitlose und allgemeingültige Wortwahl.


Um einen Corporate Purpose zu identifizieren und ihn dann in einem Statement zu formulieren, kann ein Blick auf die Geschichte des Unternehmens helfen.
Warum wurde das Unternehmen gegründet?
Was waren die Hauptbedürfnisse in der Gründungsphase?
Informationen zur Unternehmensvergangenheit können Sie im Archiv des Unternehmens finden.
Alternativ tauschen Sie sich mit (ehemaligen) langjährigen Mitarbeitern aus.


4. Berücksichtigen von internen und externen Erwartungen

Der Unternehmenszweck sollte sowohl internen als auch externen Erwartungen Rechnung tragen, da er als universelle Daseinsberechtigung definiert wird. Je nach Fall können interne oder externe Stakeholder wichtiger sein (Hurth et al., 2018). Die frühe Einbindung der Mitarbeitenden ermöglicht es individuelle Erwartungen an sinnstiftende Arbeit zu berücksichtigen.


  • 1. Interne Perspektive
    •     a. Frühe Integration von Mitarbeitern
    •     b. Anstreben einer gemeinsamen Formulierung
    •     c. Abhalten von Workshops auf verschiedenen Hierarchieebenen
    •     d. Durchführen von Mitarbeiterbefragungen. Mögliche Fragen für diese:
      •        - "Meine Arbeit hat eine besondere Bedeutung: Es ist nicht nur ein Job"
      •        - "Ich habe ein gutes Gefühl, wenn ich sehe, was wir für die Gemeinschaft tun"
      •        - "Wenn ich mir ansehe, was wir erreichen, fühle ich ein Gefühl des Stolzes."
      •        - "Ich bin stolz darauf, anderen zu erzählen, dass ich hier arbeite."
      •        - Jeweils eine Skala von 1 (Stimme überhaupt nicht zu) bis 7 (stimme voll und ganz zu) als Antwortmöglichkeit.
      •        - Bei hoher Zustimmung nach positiven Beispielen und weiteren Vorschlägen fragen
      •        - Bei niedriger Zustimmung nach Verbesserungsvorschlägen und Negativbeispielen fragen
  • 2. Externe Perspektive: Ein Purpose wird die Unternehmensidentität auch nach außen widerspiegeln, daher wird empfohlen möglichst viele externe Anspruchsgruppen, beispielsweise durch Workshops oder Befragungen, einzubeziehen.
    •     a. Einbeziehung von Kunden, Lieferanten, Gemeinden, Branchen-Organisationen, Partnern
    •     b. Identifizierung weiterer externer Zielgruppen
    •     c. Workshops
    •     d. Befragungen

5. Abgrenzen zu Mission und Vision

Eine Mission beantwortet die Frage „Was ist unser Geschäftsmodell?“. Diese Frage wird aus Kundensicht beantwortet und zielt auf den Kundenwert ab, den das Unternehmen erzeugt. Folglich beschreibt eine Mission Statement, was ein Unternehmen tut.


Der Corporate Purpose hingegen beantwortet Fragen nach dem Warum. Des Weiteren steht nicht der Mehrwert für Kunden, sondern der Mehrwert für Gesellschaft und Umwelt im Fokus. Auf beide Aspekte wurde zu Beginn dieser Seite bereits eingegangen.


Eine Vision beschreibt einen zukünftigen Zustand, den ein Unternehmen für sich anstrebt. Dabei wird ein anschauliches langfristiges Ziel für das Unternehmen gesetzt, das in der Regel drei bis zehn Jahre in die Zukunft reicht. Damit ist eine Vision vornehmlich nach innen gerichtet und zukunftsorientiert.


Ein Corporate Purpose im Gegensatz ist dauerhaft und zeitlos und richtet sich vornehmlich nach außen. Eine Vision hilft innerhalb ihres Zeithorizontes den Corporate Purpose in konkretere Ziele zu überführen.

6. Praxis Beispiele

In den oberen Abschnitten wurde unter anderem auf die Purpose Formulierung eingegangen. Die folgende Liste vermittelt Ihnen einen Eindruck, wie Unternehmen unterschiedlicher Branchen und Größen ihren Corporate Purpose ausdrücken.


  • 1. Patagonia: “Earth is now our only shareholder” Weitere Informationen unter: Patagonia Corporate Purpose
  • 2. Unilever: “make sustainable living commonplace”. Weitere Informationen zur Strategie und der Vorgehensweise unter: Unilever Corporate Purpose
  • 3. Gore: “From our founder`s dream to endless possibilities at Gore, our curiosity, creativity and customer collaboration inspires the development of advanced materials and new technologies. We innovate to enhance everyday experiences, repair hearts, explore space and so much more.”
  • 4. Hilti: “Making Construction Better”
  • 5. Weleda: “Unfolding the health and beauty of people and nature”
  • 6. FESTO: “help people turn the power of intelligent automation into a catalyst for transformation”
  • 7. Bühler Group: “creating innovations for a better world, balancing the needs of economy, humanity, and nature”
  • 8. BlackRock: “help more and more people experience financial well-being”
  • 9. KPMG: “to make a difference today while making the world a better place for future generations”

Vielleicht überrascht Sie der Corporate Purpose einiger Unternehmen und Sie bezweifeln dessen übergeordnete Lenkungsfunktion. Eine Ursache dieser Wahrnehmung kann eine fehlende Purpose Readiness sein.

7. Legen Sie los!

Nehmen Sie sich für die Festlegung Ihres Corporate Purpose und dessen Formulierung ausreichend Zeit. Ist dieser erstmal kommuniziert, kann sich Ihr Unternehmen nur schwer von den damit verbunden Verpflichtungen lösen.


Nachdem Sie einen Purpose formuliert haben, empfehlen wir Ihnen die Prüfung Ihres Purpose Statements. Dorthin gelangen Sie über den Link.

Prof. Dr. Dr. h. c. Wolfgang Kersten | Prof. Dr. Isabell Welpe | Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Horst Wildemann